infowilplus.ch / Gedanken werden zu Sichtbarem…

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…in der Galerie Fafou in Oberuzwil

Diesmal stellte das Fafou-Team das eigene Schaffen in den Vordergrund. Dabei wurde auf eine spezielle Laudatio verzichtet. Vielmehr waren mehrere Teammitglieder vor Ort und erklärten ihre Werke. Es ist eine ruhige Ausstellung, mit vielen Bezügen zu fotografischer Handwerkskunst und dem Blick hinter die Kulissen. Der Titel heisst „Zwischenraum“, und Raum für das Auge wurde gelassen, viel Raum zwischen den einzelnen Bildern oder Skulpturen. Die Ausstellung regt zum Denken an.

Über den Grossen Teich und zurück
Drei spannende, doppelt belichtete Bilder hängen an einer weissen Wand. Im Vordergrund grast eine Kuh mitten im Palmenwald, dazwischen sieht man einen städtischen Hintergrund. Man muss zwei Mal hinschauen, dann den danebengestellten Text lesen, bis man merkt, dass hier zweischichtig gefahren wurde. Frau Edixa hat Bilder in Los Angeles geknipst – natürlich auf einer Edixa-Kamera - , dann den dafür verwendeten Film vorsichtig zurückgespult und darauf gleich noch einmal eine Szene abfotografiert, diesmal in der hiesigen Umgebung. Das ergibt reizvolle Kombinationen, umrahmt von einem Filmrand, bei dem man bei genauem Hinschauen leichte Überlappungen feststellen kann.

Blickfang
Tritt man in den ersten Galerieraum, so nimmt einen gleich ein Schwarzweiss-Bild einer jungen Frau unter dem Titel LEBENSFREUDE gefangen. Selbstbewusst, aber keineswegs arrogant lächelt diese den Betrachter an. Reto Bühler hat dieses Bild – Acryl auf Leinwand - gemalt. Es hängt als einziges an der schwarzen Wand, was den Eindruck von Energie und positiver Lebensanschauung noch zusätzlich verstärkt.

Im zweiten Raum verschlägt einem die Skulptur von Ralf Fitze mit dem geheimnisvollen Namen THOUGHT OF MATTER fast den Atem, so makellos und formvollendet präsentiert sie sich. Sie steht mitten im Raum, man kann durch sie hindurch auch die Bilder an den Wänden sehen. Sie ist wahrgewordener Gedanke, wie der Titel das schon verheisst.

Da werden Gedanken zu Materie
Ralf Fitze ist ein spannender Künstler. Gerade wurde in Uzwil ein Skulpturenweg eröffnet. Auf der Wiese vor dem Bahnhof – gegenüber dem grossen Veloständer – steht eine Art Gitter in Form eines Samenkorns. In dessen Mitte schwebt scheinbar schwerelos ein silbern glänzendes Herz. Das Kunstwerk heisst SEED – Samenkorn, das innen angebrachte Herz kann als Liebe – wichtiger Kitt im Zwischenmenschlichen - verstanden werden. In der jetzigen Fafou-Ausstellung hat Fitze den Werdegang vom Gedanken bis zur fixfertigen Ausführung einer Idee als Skulptur dargestellt.

Ökologie als wichtiges Anliegen
Ralf Fitzes Material sind alte, mit Fett- und andern Rückständen eingebrannte Backbleche aus einer Grossbäckerei. Das Material – Aluminium, drei Millimeter dick – braucht sehr viel Kraft bei der Bearbeitung und fundiertes Wissen um dessen Beschaffenheit. Bei Fitze ist der haushälterische Umgang mit den Ressourcen ein dominierendes Thema. Bis zur letzten Sekunde vor der Eröffnung hat der Künstler noch an seinem Werk herumpoliert, da man auf der glänzenden Oberfläche einfach jedes noch so kleine Stäubchen sieht. 

Man kann in die Formsprache dieser „Vom-Gedanken-zur-Ausführung“-Darstellung völlig eintauchen. Je nach Sichtweise präsentiert sie sich anders. Ein eleganter, in der Mitte verdickter Rundbogen ufert in einen wie von Luftbläschen durchbrochenen Ausläufer aus. Gedanken sind flüchtig, entwickeln sich weiter, das daraus entstandene Werk steht aber unverrückbar da.

Skulpturen aus Carrara-Marmor
Im ersten Raum steht auf dem Boden vor der schwarzen Wand eine niedrige Skulptur von Marcel Robert-Tissot namens BRANDUNG. Das harte Material Marmor hat hier in Form von Wellenspitzen eine Art Belebtheit erfahren. Im zweiten Raum ist die Skulptur QUATTRO, zu sehen, vier elliptische, nach oben spitz verlaufende Körper, dem Ball des American-Football-Spiel recht ähnlich. Je nach Perspektive könnten es auch Raketen sein, Geschosse, doch das unschuldige Weiss des Materials dämpft diesen Eindruck sogleich wieder. Vor dem langen Gebäude ist noch eine Skulptur aufgestellt. Diese nennt sich STACHEL, wurde aus Bardiglio-Marmor herausgehauen und sieht ebenfalls einem Geschoss ähnlich.

Geduld und Handwerkskunst
Das Fafou-Team ist als schwarz-weisse Fotostrecke an einer Wand zu entdecken. Urs Sohmer liebt analoges Fotografieren, kennt sich mit der Nassplatten-Fotografie aus und scheint viel Geduld zu haben. Denn für so ein Bild muss man ungefähr zehn Sekunden lang völlig unbeweglich dasitzen, bis die Platte genügend belichtet ist. Und so ist es auch verständlich, dass alle sieben Personen äusserst ernst dreinschauen. Solche Fotos sollen hundert Jahre halten, werden also die Abgelichteten überdauern… Im Kasten unten finden sich nähere Angaben zum Verfahren.

Ruhe und Geduld
Thomas Bertolf malte drei Frauenbilder in Kohle und wohltuend temperierten Acryl-Farben. Sie strahlen grosse Ruhe aus, interessieren sich nicht für das Publikum. Die Entstehungsgeschichte der vier Solargrafien übers Eck brauchte ebenfalls viel, viel Geduld. Denn Urs Sohmer und Frau Edixa – benannt nach deren Lieblingskamera EDIXA – haben ein Projekt über ein halbes Jahr verfolgt. Sie installierten an verschiedenen Plätzen rund um Oberuzwil kleine, selbstgebaute Kameras – ähnlich einer Camera Obscura – und liessen diese jeden Tag ein Bild vom Sonnenuntergang schiessen. Entstanden sind Bilder von entrücktem Charme, eine Art Himmels-Jahrringe, die auch anzeigen, wann Wind und Wetter keinen Sonnenuntergang „erlaubten“.

Sie hätten nicht mehr alle Kameras vorgefunden, erzählte Urs Sohmer. Vielleicht hätten diese andere Liebhaber gefunden. Und doch wären sie um Rückgabe dankbar…

Ornamentale Tierbilder
Corinne Mettler malte Bilder mit Acryl auf Leinwand. Beim Bild mit der Biene wartet man unwillkürlich atemlos, bis das Insekt davonfliegt. Es scheint aus den mit Pinsel aufgetragenen Blumenornamenten herauszukriechen. Die Libelle auf dem zweiten Bild dominiert das ganze Format. Darunter hat die Künstlerin eine Art Breiten- und Längengrade als Netz gemalt, unaufdringlich, aber doch zugehörig. Auch hier ist eine grosse Ruhe, ja eine Stille zu spüren, die wohltut. Die ganze Ausstellung hat etwas Meditatives, lädt zum Nachdenken, zum Schauen, zum Staunen ein. Wer das mag, sollte unbedingt hingehen…

Bericht von Annelies Seelhofer-Brunner

Onlinebericht auf infowilplus.ch

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